Wer übergewichtig ist, muss nicht gut ernährt sein

Gleichzeitig übergewichtig und mit wichtigen Nährstoffen unterversorgt zu sein, bezeichnen Ernährungsmediziner als „double burden“, ein Phänomen, welches nicht nur in modernen Industrienationen bekannt ist, sondern auch in Schwellen- und Entwicklungsländern immer häufiger auftritt.
Sobald sich jemand einseitig oder falsch ernährt, kommt es zu einem Mangel an wichtigen Nährstoffen und Vitaminen. Die kann auf Unwissenheit, dem Fehlen gesunder Alternativen oder auch unverhältnismäßiger und globaler Verbreitung von Marketingaktivitäten großer Lebensmittelkonzerne geschuldet sein. Die Schwellenländer werden als enorme Absatzmärkte für Fast Food entdeckt, das ubiquitär und vergleichsweise preiswert angeboten wird. Die zunehmende Verbreitung des double burden aus Mangelernährung und Übergewicht kann in reichen und armen Ländern gleichermaßen beobachtet werden, so Professor Hans-Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim, und die Ursachen sind identisch. „Fast Food ist günstig und energiereich. Viele Menschen wissen aber nicht, dass es sehr vitaminarm ist.“ Der Verzehr von Burger und Co führt zum Übergewicht, versorgt aber nicht mit ausreichenden Vitaminen und den vielen notwendigen Nährstoffen.
Insgesamt 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben Übergewicht, circa 6 Prozent in diesem Kollektiv müssen als fettleibig eingestuft werden. Besonders bei Kindern aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status sind diese Zahlen fast dreimal so hoch, warnt der Ernährungsmediziner.
Dieser versteckte Hunger und das Übergewicht sind nicht nur in Deutschland ein großes Problem. So haben Untersuchungen an 350 deutschen Kindern im Alter zwischen 1 und 3 Jahren einen deutlichen Mangel an Mikronährstoffen nachgewiesen. Besonders betroffen waren Kalzium, Einsen, Jod, Zink, Vitamin D und Vitamin E, so der Experte.
Diesem Problem kann nur durch Aufklärung entgegengewirkt werden, meint Biesalski und empfiehlt der staatlichen Regulierung ungesunde Lebensmittel unattraktiv zu machen. Damit könnten die Kinder aus einkommensschwachen Familien geschützt werden. Beispielhaft nannte er die Einführung einer Zuckersteuer.
Weltweit leiden etwa zwei Milliarden Menschen an einem Mikronährstoffmangel, gleichzeitig nimmt die Zahl der Menschen mit Übergewicht und Adipositas unaufhaltsam zu, berichtet Professorin Regina Birner vom Institut für Tropische Agrarwirtschaft. „Das bedeutet, dass keine Unterversorgung vorliegt, sondern einseitige und falsche Ernährung zum Übergewicht und Mikronährstoffmangel führen“. Dieses Phänomen wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Double Burden of Malnutrition (doppelte Belastung durch Fehlernährung) bezeichnet.
Die ausreichende Kalorienzufuhr allein verhindert keine Mangelernährung. Besonders Kinder tragen schwere Schäden davon, wenn sie am sogenannten versteckten Hunger leiden, als nicht genügend lebenswichtige Vitamine, Mineralien und Spurenelemente aufnehmen. Die Zahl der betroffenen Kinder wird von der WHO weltweit auf 180 Millionen geschätzt. Das Problem wird nicht nur in armen Ländern angetroffen, sondern auch hochentwickelte reiche Länder wie Deutschland und USA sind davon betroffen, sagte Biesalski. „Selbst in Deutschland leben 20 Prozent der Kinder in relativer Armut und sind oft nicht ausreichend mit Mikronährstoffen versorgt“.



– Adipositas Stiftung // Veröffentlicht in AdipositasAllgemeinDiabetes