Was lange währt, wird endlich gut: Anerkennung der Adipositas als Krankheit
In der Ausnahmesituation der aktuellen Corona-Pandemie ist damit zu rechnen, dass die seit Jahren existierende Adipositas-Pandemie sich parallel dazu stärker verbreitet. Laut Professor Matthias Blüher, Adipositas Ambulanz Leipzig, haben sich starkes Übergewicht und Adipositas in den letzten 40 Jahren bereits pandemisch ausgebreitet. Weltweit haben sich die Zahlen der Betroffenen verdoppelt, in einigen Ländern sogar verdreifacht.
Die Situation in Deutschland weisen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts ein Viertel der Erwachsenen eine Adipositas auf. Bei 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen wird ein Body Mass Index jenseits von 30 kg/qm diagnostiziert. Dies habe erhebliche Relevanz in der aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklung, was auch von Politikern unterschiedlicher Parteizugehörigkeit bestätigt wird. Im Sommer 2020 hat der Bundestag , dem Antrag für eine nationale Diabetesstrategie anerkannt; dem folgte kurz vor Weihnachten die Zustimmung zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung. Dieses Wortungetüm-Gesetz (GVWG) enthält auch die Absicht bis 2023 ein Disease-Management-Programm (DMP) für Adipositas auf den Weg zu bringen.
Kommt es bei stark übergewichtigen Menschen in der aktuellen Pandemie zusätzlich zu einer COVID-Infektion, besteht vor allem bei jüngeren Patienten ein nicht unerheblicher Risikofaktor für einen schweren oder letal endenden Verlauf. Damit weist Blüher ausdrücklich darauf hin, die Adipositas als wesentliches Therapieziel zu deklarieren, für die per se schon maßgeblich die Lebenszeit verkürzt. „Schon ein Body-Mass-Index zwischen 35 und 40 kg/qm kostet die Betroffenen etwa sieben Jahre Lebenszeit“, so der Experte. Nicht zu vergessen sind zahlreiche Folge- und Begleiterkrankungen, die Herz-Kreislauf, Atmung Gelenke und an vorderster Front einen Typ 2-Diabetes betreffen, die bei Adipositas die Lebensqualität erheblich herabsetzen.
In diesem Kontext sei die Anerkennung als chronische Erkrankung ein entscheidender Durchbruch, der zu konsequenter Diagnostik und Leitlinien-gerechten Therapiekonzepten führen sollte. Neben der Forderung nach mehr interdisziplinärer Zusammenarbeit der Ärzteschaft bei dieser multifaktoriellen Erkrankung werde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) ein strukturiertes Behandlungsprogramm der Adipositas erwartet, um die defizitären Behandlungsstrukturen und die kompetente Versorgung der Menschen mit Adipositas langfristig zu verbessern.