Risiko der Essstörungen bei Diabetikern
Entwickelt ein Diabetiker ein gestörtes Essverhalten, sind seine Blutzuckerwerte kaum noch kontrollierbar und die Einstellung zu normnahen Blutzuckerwerten gestaltet sich ausgesprochen schwierig. Gestörtes Essverhalten liegt einerseits bei einer Anorexia nervosa vor, wenn die Patienten mit aller Macht versuchen, ihr Gewicht zu reduzieren. Seit langem ist auch die Bulimia nervosa als gutdokumentierte Störung des Ernährungsverhaltens bekannt.
Erhebliche Schwankungen der täglichen Energiezufuhr und des Körpergewichts sind psychisch stark überlagert bei diesem Fehlverhalten, und führen dazu, dass die Mahlzeiten nicht strukturiert eingenommen werden, und eine Therapie zur guten Blutzuckerkontrolle oftmals konterkariert wird.
Bei der Anorexia nervosa handelt es sich um ein Krankheitsbild mit hoher Morbidität und Mortalität. Sie gehört zu den lebensbedrohlichen psychischen Erkrankungen, und die extremen Hungerperioden führen bei etwa zehn Prozent der Betroffenen zum Tode.
Die Aufnahme von Nahrung wird weitgehend vermieden und überaus restriktiv gehandhabt. Sollten die Eltern oder der Arzt darauf bestehen, dass an den Mahlzeiten teilgenommen und die zubereiteten Speisen aufgegessen werden, wehren sich die Anorektiker, indem sie danach die Speisen wieder erbrechen. Dieses Verhalten führt in vielen Fällen zu lebensbedrohlichem Untergewicht, von dem junge Mädchen häufiger betroffen sind als Jungen.
Ein komplett anderes Ernährungsverhalten tritt bei der Bulimia nervosa auf. Personen mit dieser Erkrankung werden von Fressanfällen heimgesucht und leeren nicht selten einen gut gefüllten Kühlschrank während der Essattacken. Scham und Unwohlsein nach großer Nahrungsmittelaufnahme führen dazu, dass die aufgenommene Nahrung nach der Attacke wieder erbrochen wird.
Häufig sind die betroffenen Personen normalgewichtig, meistens leiden sie aber an starkem Übergewicht. Zwischen den Essanfällen kann eine längere Zeit mit absolut restriktiver Nahrungsaufnahme liegen, aber immer wieder treten diese Anfälle mit unglaublich hoher und unkontrollierter Zufuhr von Nahrungsmitteln auf. Die gesamte Energieaufnahme ist bei diesen Menschen sehr chaotisch.
Leidet ein Diabetiker an einer Bulimia nervosa, ist eine erfolgreiche Diabetestherapie nahezu unmöglich. Unregelmäßiges Essen, keine Einhaltung von Mahlzeiten und unkontrollierbar große Energiemengen sind gute Voraussetzungen für die Entstehung einer Adipositas, mit der ein Typ-2-Diabetes zusätzlich verschärft wird. Weder eine orale Diabetestherapie noch eine adaptierte Insulingabe können diesen erheblichen Blutzuckerschwankungen gerecht werden, die bei extremer Kalorienzufuhr oder restriktivem Essverhalten auftreten.
Ob Anorexia nervosa, Bulimia nervosa oder die Binge Eating Störung, bei der jede Mahlzeit eine Fressattacke sein kann, sind es vorwiegend Frauen, die von solchen krankhaften und krankmachenden Essverhalten heimgesucht werden.
Treten diese psychisch unterlegten Essverhalten bei Diabetikern auf, trifft eine unkontrollierte Nahrungsaufnahme auf einen gestörten Stoffwechsel der Zuckerverwertung. Die bei Diabetikern zugrunde liegende Glukosetoleranzstörung führt bei zu geringer Energiezufuhr, wie bei Anorexia nervosa, zu vermehrter Freisetzung freier Fettsäuren und Ketonkörper und einer hypoglykämischen Stoffwechsellage am Morgen.Nahrungsmangel bedeutet Stress für den gesamten Organismus und die Stresshormone, wie z.B. das Kortisol, steigen an. Schwankungen der Blutglukose und Stresshormone sowie extremes Untergewicht oder erhebliches Übergewicht begleiten die meisten Essstörungen. Nicht selten entwickelt sich zu dieser psychopathologisch auffälligen Störung eine manifeste Depression, die zusätzlich als Stressbelastung vom Organismus registriert wird. Bei einem Patientenkollektiv, bei dem ein Diabetes mellitus gemeinsam mit einer Essstörung vorliegt, ist eine hohe Aufmerksamkeit des behandelnden Arztes erforderlich, damit dieser Zusammenhang erkannt und im interdisziplinären Ärzteteam aus Diabetologen, Ernährungsmedizinern und Psychologen therapiert wird.
Bei den vorwiegend jugendlichen Erkrankten sollte immer auch das familiäre und schulische Umfeld in die Problematik integriert sein, um der schweren Erkrankungen mit hohem Sterbeerisikos frühzeitig entgegen zu wirken. -eb-