Gen-Mutation bei Kindern mit Adipositas
Zu den weltweit häufigsten Todesfällen führt die Adipositas mit ihren multiplen Begleiterkrankungen. Die Ursachen für die Entstehung einer Adipositas bereits im frühen Kindesalter ist bei weitem noch nicht ausreichend erforscht und entschlüsselt. Bisher wird eine falsche Ernährung bei gleichzeitig geringer körperlicher Aktivität für die krankhaften Fettansammlungen als wesentliche Begründung angegeben.
Ein Forscherteam der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig hat nun einen neuen Mechanismus entdeckt, der mit dem oft extremen Übergewicht bei Kindern in Zusammenhang gebracht werden kann. So soll eine genetische Veränderung zur ungewöhnlichen Expression eines Gens führen, welches mit der Kontrolle des Hungergefühls in Zusammenhang gebracht werden kann. Diese neuen und wichtigen Erkenntnisse wurden im renommierten Fachjournal „NatureMetabolism“ publiziert.
Weil noch viele Fragen zur Entstehung der Adiposität unbeantwortet bleiben, steht doch zu mindestens die Beteiligung von mehreren – bekannten und unbekannten – Faktoren, die für die Entstehung und Progression verantwortlich sind. So können auch genetische Beteiligungen eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Bei den meisten von Übergewicht und Adipositas betroffenen Kindern sind das Zusammenwirken ungesunder Lebensbedingungen sowie eine erbliche Veranlagung mit sogenannten polygenetischen Defekten mit verantwortlich bei der Entstehung von starkem Übergewicht bereits im Kindesalter.
Die Forscher und Forscherinnen der Universitätsklinik Leipzig und des Helmholtz-Instituts für Metabolismus-, Adipositas- und Gefäßforschung (HI-MAG) des Helmholtz Munich wollen die seltenen Fälle monogener Adipositas identifizieren. Bei dieser Form der Adipositas ist der Defekt in einem einzelnen Gen ursächlich für die Entwicklung dieser Erkrankung.
Die von dieser Genmutation betroffenen Personen zeigen oft schon in früher Kindheit ein gestörtes Sättigungsgefühl, und sie leiden an unstillbarem Hunger.
Bei der Untersuchung von Gewebeproben bei einem Mädchen mit ausgeprägtem Übergewicht konnten die Leipziger Wissenschaftler erkennen, dass ein bestimmtes Gen, nämlich das Agouti-Signalprotein-Gen (ASIP) in hohen Maßen in Zellen produziert wird, in denen es normalerweise niemals vorkommt. Gefunden wurde es zum Beispiel in Fettzellen, in weißen Blutkörperchen und in neuronalen (zum Nervengewebe gehörenden) Zellen.
Die Projektleiterin und Professorin für Pädiatrische Forschung und Kinderärztin Antje Körner sprach von dieser Entdeckung als ein Puzzlestück zur Forschung monogener menschlicher Adipositas. Es sei auch ein Beweis für die Bedeutung der zentralen molekularen Regelungsmechanismen der Energiebilanz und des Körpergewichts. Eingebunden über sogenannte Melanocortin 4 Rezeptor Neurone beim Menschen bietet diese Erkenntnis die einzigartige Möglichkeit, um solche Mechanismen zu untersuchen.
Die Art der Mutation, die in der aktuellen Studie gefunden wurde, ist dem üblichen genetischen Screening-Algorithmen bisher entgangen. Nun könnten auch die vielen unentdeckten Betroffenen durch gezieltes Screening mit der identischen Mutation aus der Leipziger Adipositas-Kohorte identifiziert werden.
Professor Dr. Mathias Blüher, Direktor des HI-MAG glaubt, dass sie mit dieser Entdeckung in der Lage sind, die Strategien zur Identifizierung ihrer Patienten mit monogenetischer Adipositas neu überdenken zu können. Das ultimative Ziel dieser Forschung sei es, die Erkenntnisse in zukünftige personalisierte Behandlungsmöglichkeiten der Adipositas zu übertragen.