Adipositas und Psyche – eine komplexe Komplikation
Bei einer Adipositas stehen unterschiedliche psychologische Aspekte in der Diskussion, die wesentlich teilhaben an der Gewichtsentwicklung. Sie spielt eine Rolle bereits bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas, psychische Erkrankungen lassen sich mit der Adipositas in Verbindung bringen, das Abnehmen und die langfristige Sicherung des Abnehmerfolgs können für die Psyche eine kaum zu bewältigende Herausforderung sein.
Einerseits ist die Beteiligung der genetischen Ausstattung ein wesentlicher Aspekt für die Gewichtsentwicklung eines Menschen. Es sind mehrere und unterschiedliche Gene dafür verantwortlich, deren Variabilität nicht leicht zu entschlüsseln ist. Die veränderten gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen, hoher Druck in der Arbeitswelt und der Familie, inaktiver Lebensstil mit Bewegungsmangel und extremer Nutzung moderner Medien, eine schier unzählbare Menge ubiquitär verfügbarer energiedichter Nahrungsmittel spielen eine enorme Rolle bei Entwicklung vom Normal – zum Übergewicht und zur Adipositas.
Im Einzelfall können allerdings die psychischen Probleme eines Menschen eine der Hauptursachen einer fehlgesteuerten Gewichtsentwicklung sein. Das Essen wird nicht nur zur Sättigung des alimentären Hungers, sondern nicht selten zur Besänftigung psychisch belastender Effekte genutzt. Seelische Probleme werden dann besser ertragen, depressive Verstimmungen werden durch zu viel Nahrung – aber auch durch Nahrungsverweigerung – oft gelindert.
Hat sich ein Übergewicht auf den Hüften und im Bauchbereich sichtbar verbreitet, kann das Missverhältnis zum eigenen Körperbild erneut Anlass bieten mit psychischen Störungen zu reagieren. Ist die Psyche betroffen, wirken weitere Mechanismen auf die Gewichtsreduktion: Schlafstörungen und Schlafmangel fördern die Gewichtszunahme, ein niedriger sozialer Status führt häufig zu eklatanten Ernährungsfehlern und Essstörungen wie die Binge-Eating- oder Night-Eating-Störung haben oft eine unkontrollierte Kalorienaufnahme zur Folge. Außerdem sind einige endokrine Erkrankungen (Hormonstörungen) bekannt, die nahezu immer eine Gewichtszunahme zur Folge haben, ebenso wie die regelmäßige Einnahme pharmakologischer Substanzen wie Antidepressiva, Kortison, die Pille und Diabetes-Medikamente.
Noch immer existiert hierzulande eine Diskriminierung von Menschen mit starkem Übergewicht, für das sie selbst verantwortlich gemacht werden, weil sie bequem und undiszipliniert seien. Nicht nur im Familien- und Freundeskreis sprechen die Blicke auf den Adipösen oft Bände, sondern selbst in Bus- und Straßenbahn, am Arbeitsplatz und sogar beim Arzt ernten sie stigmatisierende Kommunikation. Dadurch fühlen sich die Betroffenen minderwertig und reagieren darauf oft mit vermehrtem Essen. Daraus entsteht ein Teufelskreis, der nur schwer zu unterbrechen ist.
In der psychologischen Betreuung adipöser Patienten liegt eine große Chance über seine Probleme zu sprechen, sich selbst besser zu kennen und zu lernen, wo man eigenverantwortlich beginnen kann, der Entwicklung unkontrollierter Gewichtszunahme entgegenzusteuern.