Adipositas und Folgen im kardiovaskulären System – auch bezogen auf die Geriatrie: Fachseminar für Ärzte und Apotheker
Alle Experten sind sich einig: mit ansteigender Häufigkeit des Übergewichts und der Adipositas in der Bevölkerung besteht eine enge Verknüpfung zu Folge- und Begleiterkrankungen. An vorderster Front stehen das metabolische Syndrom und die Herz-Kreislauferkrankungen, die schon bei einer über das Normale hinausgehenden Gewichtzunahme mit relevanten gesundheitlichen Schädigungen verbunden ist.
„Dieser gefährlichen Entwicklung kann mit Prävention, Früherkennung und effektiver Gewichtsreduktion entgegen gewirkt werden“, sagte Professor Günther Linß von den Overhalvenkliniken, einem akademischen Lehrkrankenhaus der Charité Berlin, anlässlich einer Fortbildungsveranstaltung für Ärzte und Apotheker, die von Certmedica international in München durchgeführt wurde.
Heutzutage sind bereits 70 Prozent der deutschen Männer und 60 Prozent der Frauen mit einem BMI zwischen 25 bis 29,9 übergewichtig, oder sogar adipös, wenn der BMI den Wert von 30 überschreitet. Bei diesem Kollektiv ist sowohl die kardiovaskuläre Sterblichkeit als auch die Gesamtmortalität erhöht.
Schuld daran ist das viszerale Fettgewebe, das sich vermehrt im Bauchraum (Abdomen) ansammelt und nicht nur den Taillenumfang deutlich erhöht, sondern als endokrines Organ Hormone freisetzt, die definitiv zu Störungen des Stoffwechsels und des Herz-Kreislaufsystems führen. Es kommt zur verstärkten Insulinresistenz, der Blutzucker steigt an und an den Gefäßwänden bilden sich Plaques, die das Gefäßlumen zunehmend verschließen.
Für Linß ist es daher unabdingbar regelmäßig den Taillenumfang zu messen und ihn als wesentliches Risiko der sich entwickelnden Folgeschäden des Übergewichts zu definieren. Fettgewebe, dass sich an der Hüfte und den Oberschenkeln ablagert, unterstreicht die weibliche Form und wird als gynoide oder Birnenform der Fettverteilung interpretiert. Bevorzug im Bauchraum angesiedeltes Fettgewebe bildet den runden Apfeltyp aus, der einer androiden Fettverteilung entspricht.
Als Ursache des ansteigenden Übergewichts und Adipositas in der Gesamtbevölkerung sind nach den Experten neben genetischen Faktoren und familiärer Disposition vor allem die modernen Lebensstilaberrationen mit Überernährung, Fehlernährung und Bewegungsmangel zu nennen. Daneben verantworten auch Stress, Essstörungen, neuroendokrine Ursachen und Medikamente den Gewichtsanstieg.
Weil die viszeralen Fettzellen metabolisch aktiv sind, setzen sie aktive Substanzen frei, wie das PAI-1, freie Fettsäuren, Leptin und Adiponectin sowie Resistin und TNF-α. Als hormonähnliche Substanzen und Entzündungsmarker fördern diese Substanzen die Insulinresistenz, unterhalten systemische Entzündungen und verstärken die Fettstoffwechselstörungen, die schädigend auf die Gefäßwand wirken und eine endotheliale Dysfunktion hervorrufen. Diese mündet in einer Atherosklerose.
Per definitionem setzt die Diagnose ,Metabolisches Syndrom‘ neben der Adipositas auch den Anstieg der Triglyceride mit Absenkung des protektiven HDL-Cholesterins, einen erhöhten Blutdruck mit Werten oberhalb von 135/85 mm/Hg und einen Nüchternblutzucker von mehr als 100 mg/dl voraus.
Die Bestätigung der Diagnose metabolisches Syndrom ist gleichzusetzen mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko und Übersterblichkeit.
Neue Forschungsergebnisse zur Fettgewebe induzierten Entzündung stellte Professor Jörg Schulz aus Berlin Buch vor, der den zweifelsfreien Zusammenhang dieser systemischen Entzündung zur Insulinresistenz verdeutlichte. Diese bereitet den Boden für die Entstehung eines manifesten Diabetes mellitus Typ-2, dessen Komorbiditäten als Herz-Kreislauferkrankungen, Störungen der Leber- und Nierenfunktion, peripheren Durchblutungsstörungen und Augenerkrankungen bekannt sind. In der Folge dieser Komplikationen entstehen Herzinfarkt und Schlaganfall, nicht-alkoholische Fettleber und -Nephropathie sowie Erblindung bei diabetischer Retinopathie und Amputationen bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit.
Die entzündlichen Prozesse mit deutlich erhöhten Zytokinen wie Interleukine, TNF-α und Plasminogen-Aktivator wirken negativ auf den Insulin produzierenden Pankreas und sind wesentlich an der Entstehung der Begleit- und Folgeerkrankungen von Übergewicht, Adipositas und Diabetes mellitus beteiligt.
„Mit der Entwicklung und Identifizierung neuer Zielmoleküle zur antientzündlichen Therapie des Diabetes mellitus könnten präventiv wirksame Medikamente gefunden werden“, so Schulz, „die die Morbidität und Mortalität bei Adipositas und deren Begleitkomplikationen zu reduzieren vermögen.“
Während zwischen dem 60. und 75. Lebensjahr die Adipositas dominiert, kommt es in höheren Altersgruppen häufig zu Mangelernährung durch Essstörungen. Nicht nur die Verminderung des Hunger- und Durstgefühls sowie des Gesamtstoffwechsels sind dafür verantwortlich, sondern oftmals auch Zahnverlust und Kauprobleme aufgrund schlecht sitzender Prothesen. Isolation und Vereinsamung mit zunehmender Einschränkung der kognitiven Funktionen verursachen zusätzliche somatische, psychologische und biosoziale Probleme, die wiederum eine Mangelernährung verstärken können. Wenn die Lebensqualität, die Mobilität und die soziale Kommunikation verloren gehen, greifen selbstgewählte Isolation und Fremdbestimmung Raum bei den geriatrischen Patienten, denen mit einer sorgfältigen Ernährungsberatung sowohl die gesundheitliche als auch die psychosoziale Not gelindert wird.
Fachseminar für Ärzte und Apotheker
Adipositas und Folgen im kardiovaskulären System –
auch bezogen auf die Geriatrie
Samstag 09.04.2011, München
Certmedica International GmbH
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Tel.: 06021 150 930