Adipositas ist der größte Risikofaktor für dyspeptische Erkrankung
Nach den Erhebungen des Robert-Koch-Instituts sind 67,1 Prozent der Männer, aber nur 53 Prozent der Frauen in Deutschland über-gewichtig. Für Fettleibigkeit oder Adipositas ab einem BMI jenseits von 30 kg/m2 werden vergleichbare Häufigkeiten für Frauen und Männer berichtet (23,3 und 23,9 Prozent). Dies sind Ergebnisse aus der DGES (Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland), denen die Daten von 8152 Befragten im Alter zwischen dem 18. und 79. Lebensjahr zugrunde liegen. Neben der gesellschaftlichen Diskriminierung und Stigmatisierung tragen die
Betroffenen ein hohes Risiko für Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Thrombosen, Lungenembolien, aber auch ein hohes Risiko zu versterben. Viel zu selten richten die Experten ihr Augenmerk und ihre Forschungsaktivitäten auf die enge Assoziation der Adipositas mit Verdauungsstörungen, die nach Professor Alfred Wirth (Adipositas, 3. Aufl.; Springer, 2007; 243-245) kaum seltener auftreten als Störungen des Herz-Kreislauf-Systems oder die Veränderungen des Stoffwechsels. So werden bei den meisten Übergewichtigen durchaus plausible Erklärungen für einen gastroösophagealen Reflux („Sodbrennen“) und dyspeptische Störungen („Reizmagen“) gefunden.
Die meisten Studien belegen bei Übergewichtigen und Adipösen vermehrt Sodbrennen und saures Aufstoßen (Hampel et al, 2005), was mit dem erhöhten intraabdominellen Druck bei adipösen Personen mit hohem Bauchfettanteil begründet wird. Außerdem ist ein reduzierter ösophagealer Sphinkterdruck messbar, und spontane Sphinkterrelaxationen treten häufiger auf.Auch das Risiko einer erosiven Ösophagitis ist bei Übergewicht und Adipositas um den Faktor 1,8 erhöht. Begünstigend für eine erosive Ösophagitis sind auch Zwerchfellhernien, die bei Adipösen ebenfalls häufiger angetroffen werden.Das Risiko für das Auftreten von gastroösophagealen Refluxerkrankungen steigt mit dem BMI: erhöht sich der BMI um 3,5 kg/m2, steigt das Risiko um 130 Prozent, sinkt der BMI wieder um 3,5 Prozent, reduziert sich das Risiko um 36 Prozent. Adipositas ist als wesentlicher Risikofaktor für Cholesterinsteine der Gallenblase bekannt. Dies geht aus den Daten von 88.837 Krankenschwestern in der Nurses-Health-Studie hervor, die eine deutliche Assoziation der Gallensteinhäufigkeit schon bei übergewichtigen, noch nicht adipösen Frauen belegt.
Die Inzidenz der Gallensteinbildung steigt bei den krankhaft fettleibigen Frauen auf mehr als das sechsfache an (Maclure et al, 1998) im Vergleich zu Normalgewichtigen und Schlanken. Für die gehäufte Entstehung von Gallensteinen bei Adipositas werden unterschiedliche Pathomechanismen diskutiert. So wird der lithogene Index verantwortlich gemacht ebenso wie eine reduzierte Kontraktilität der Gallenblase aufgrund des erhöhten intraabdominalen Drucks. Einerseits ist die Konzentration von Cholesterin in der Galle bei Adipösen erhöht, was die Bildung von Gallensteinen begünstigt, andererseits ist die Kontraktilität der Gallenblase herabgesetzt, so dass die fraktionierte Entleerung und das Residualvolumen reduziert sind. Diese Mechanismen gelten als Risikofaktoren für die Gallensteinbildung. Aufgrund der erhöhten Gallensteinhäufigkeit kommt es vermehrt zum Auftreten von Pankreatitiden, sofern Gallensteine die ableitenden Gallenwege blockieren und die Pankreasentzündungen induzieren. Besonders die Entwicklung einer nicht-alkoholischen Fettleber stellt bei Adipösen zunehmend einen relevanten gesundheitlichen Risikofaktor dar. Dabei werden die Hepatozyten einer erhöhten Konzentration von Triglyceriden ausgesetzt, durch die eine Leberzellschädigung bis zur Leberfibrose induziert werden kann. Je ausgeprägter die Hepatozyten von Triglyceriden durchsetzt sind, umso mehr wird etwa die hepatische Glukoseproduktion beeinträchtigt. Dass ein vermehrtes viszerales Fettgewebe mit einer chronischen Inflammation einhergeht, zeigt sich in der erhöhten Freisetzung von TNF-alpha und der Bildung freier Fett-säuren aufgrund der begleitenden Insulinresistenz. Auch die Sympathikusaktivität ist bei Adipositas erhöht, was die Magensäureproduktion stimuliert.Während die Rolle des Leptins bei Adipositas als Hormon zur zentralen Hungerregulation bekannt ist, existieren noch viele offene Fragen zu den Veränderungen und den pathophysiologischen Konsequenzen fast aller am Verdauungsvorgang beteiligten Hormone und den gastrointestinalen Komorbiditäten.
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