Wie überschüssiges Fettgewebe zum Typ 2-Diabetes führt
Aus wissenschaftlichen Erkenntnissen der letzten Jahre geht hervor, dass von überschüssigem Fettgewebe niederschwellig eine chronische Entzündung ausgehen kann. Dies könnte auch die für den Energiestoffwechsel wichtigen, aktiven Gewebe betreffen, zum Beispiel die Leber, die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und das Gehirn. Diese Entzündungsreaktion verläuft von den Betroffenen oft völlig unbemerkt, hat aber dennoch nachteilige Auswirkungen auf den Organismus.
Mit der chronisch-systemischen Entzündung wirkt das Fettgewebe von adipösen Menschen schädigend auf den Stoffwechsel und kann auf diese Weise einen Typ 2-Diabetes nach sich ziehen. Eine Lebensstiländerung, um Gewicht zu reduzieren, ist dabei oft nicht nachhaltig, weil in vielen Fällen das Gewicht der abgenommen Fettmassen meist nur über einen kurzen Zeitraum gehalten werden kann.
Es ist daher ein endokrinologisches Forschungsziel, in diese Entzündungsprozesse mithilfe von Medikamenten gezielt eingreifen zu können. Beispielsweise wird durch die chronische Entzündung die Empfindlichkeit des blutzuckersenkenden Hormons Insulins herabgesetzt. Der mit der Nahrung aufgenommene Zucker bleibt im Blut als Hyperglykämie, und kann wenig oder gar nicht von den Zellen des Gewebes aufgenommen werden. Die Überzuckerung im Blut veranlasst die Bauchspeicheldrüse zu größerer Insulinproduktion, bis sich schließlich die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse erschöpfen. Geht die Insulinproduktion zurück, steht nicht mehr ausreichend zum Glukosetransport in die Zellen zur Verfügung, was zu einem Energiemangel des Gewebes nach sich zieht. Die Blutglukose steigt immer höher an und es entwickelt sich ein Typ 2-Diabetes.
„Wir sehen diese schwelende Entzündung nicht mehr nur als passiven Begleitprozess der Erkrankungen bei adipösen Menschen, sondern wissen heute, dass sie eine wesentliche und ursächliche Rolle für die Krankheitsentstehung spielen“, so Professor Jan Tuckermann, Ulm, Vizepräsiden der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE).
Umso wichtiger sei es überschüssiges Körperfett abzubauen, schließt er daraus.
Diät, Bewegung und Sport sowie die Verhaltenstherapie und Medikamente gelten als etablierte Maßnahmen zur Gewichtsreduktion. In schweren Fällen von Adipositas mit einem BMI > 40 kg/m2 helfen oft nur noch die Chirurgen mit einer Verkleinerung des Magens, einem Magenband, Umgehung des Magens oder einem Magenball bei der nachhaltigen Gewichtsreduktion. Tatsächlich zeigen viele Studien, dass die chirurgisch induzierte Gewichtsabnahme es vermag, den Diabetes zurückzudrängen.
Die Erfolge durch Diäten zeichnen sich häufig in der Langzeitbetrachtung als weniger effektiv aus, weil der Grundumsatz des Organismus in der vermeintlichen Notsituation einer kalorienreduzierten Diät auf Sparflamme umschaltet. Wird die Diät beendet und wieder normale Kost zu sich genommen, beteiligt sich der geringere Kalorienverbrauch durch den Grundumsatz relevant an dem „Jo-Jo-Effekt“. Auch dürfen einige Patienten aus gesundheitlichen Gründen keine Diät machen, bei anderen wiederum bleiben auch manche Diäten ohne erkennbare Wirkung.
Die generelle Unterdrückung der Entzündungsreaktion scheint aber nicht der richtige Weg zu sein, weil eine dauerhafte Einwirkung auf das Immunsystem die körpereigenen Abwehrkräfte schwächt, und die Betroffenen jeglichen Infektionen schutzlos ausgeliefert sind. Ein neuer Weg könnte die punktgenaue Einbringung von Hormonen und antientzündlichen Substanzen an den Ort der Entstehung der niederschwelligen Inflammation zu bringen. Um diese zu erforschen wurde ein neues Forschungsfeld ins Leben gerufen, der Immuno-Metabolismus, der die Zusammenhänge zwischen Immunabwehr, Stoffwechsel und Hormonen aufklärt.