Das Mikrobiom ist zweifelsfrei gesundheitsrelevant
Jeder Mensch trägt Millionen unterschiedliche kommensale Besiedler in den unterschiedlichen Kompartimenten des Körper mit sich. So finden sich spezifische Mikrobiota auf der Haut, in der Mundhöhle, im Gastrointestinaltrakt, den oberen Atmungsorganen und im Urogenitaltrakt. Insgesamt können mehr als tausend unterschiedliche Bakterienspezies identifiziert werden, die für jeden Menschen eine individuelle Zusammensetzung aufweisen.
Hinsichtlich der Aufgaben und Funktionen der mikrobiellen Ausstattung fand erst in den letzten Jahrzehnten ein Paradigmenwechsel statt, der die zentralen physiologischen und pathophysiologischen Reaktionen aufdeckte. Zweifelsohne zeigt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen, die auf Störungen eines Mikrobioms zurückgeführt werden.
Dazu gehören neben der Adipositas auch Fettstoffwechselstörungen, Diabetes und Lebererkrankungen, eine erhöhte Neigung zu Malignomen und chronisch entzündliche Darmerkrankungen sowie neurologisch/psychiatrische Krankheitsbilder, etwa ein Morbus Parkinson und Alzheimererkrankung.
Noch nicht eindeutig aufgedeckt sind die zentralen Zusammenhänge der bakteriellen Besiedlung mit der Pathogenese. Diese Assoziation wird zur Zeit intensiv erforscht, sagte Professor Andreas Stallmach vom Universitätsklinikum Jena auf dem 124. Internistenkongress in Mannheim. Antibiotika und Präbiotika führen zu Veränderungen des Mikrobioms, deren Konsequenzen bisher nicht immer klar erkannt und definiert sind.
Am Beispiel der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa und Morbus Crohn) betrachtete er die Zusammenhänge mit dem Mikrobiom des Darms. In den Darmregionen mit der physiologisch höchsten Dichte an Mikroorganismen manifestieren sich die chronischen Entzündungen, die vergleichbar sind mit infektiöser Gastroenteritis. Untersuchungen dieser Darmabschnitte zeigen, dass die Vielfältigkeit der Mikroorganismen bei diesen Patienten reduziert ist. Es wird sowohl im akuten Schub als auch in der Remission dieser Verlust der Diversität nachgewiesen, und Stallmach vermutet, dass eine eventuell verstärkte Antibiotika-Gabe in der Kindheit dafür verantwortlich ist.
Die nachgewiesene Dysbiose lässt vermuten, dass über eine Mikrobiom-Analyse der Krankheitsaktivität das Ansprechen auf Medikamente abgebildet werden kann. Er hofft, dass diese Verfahren in Zukunft Eingang in die klinische Routine erhalten. Das Konzept des fäkalen Mikrobiota-Transfers, bei dem die Dysbiose durch gesunde Mikrobiota regeneriert wird, hat bereits gezeigt, dass 30 bis 40 Prozent der CED-Patienten eine Remission erreichen und auf teure Medikamente teilweise verzichtet werden kann.