„Gesunde“ Fettzellen – „gesunder“ Körper: Fettzelle als zentrale Kontrollstation
Adipositas – die medizinische Bezeichnung für einen Zustand der exzessiven Fetteinlagerungen im Fettgewebe, aber auch in anderen Organen wie Leber, Muskel, Herz usw. – korreliert sehr stark mit einer metabolischen Disregulation, welche eine Hauptursache für Morbidität und Mortalität in den meisten Ländern darstellt.
Insbesondere sind Insulinresistenz, Diabetes mellitus Typ 2 und kardiometabolische Erkrankungen zu erwähnen. Das klinische Bild für Adipositas erhielt einen neuen Namen, der auch den Stand der Wissenschaft widerspiegelt: das Metabolische Syndrom, die Kombination von einem „Zuviel“ von abdominalem Fett („Bauchfett“), Blutzucker, Blutfetten und Blutdruck, und einem „Zuwenig“ vom guten Lipoprotein HDL. Bei dieser Definition wurde nicht der „Body-Mass-Index“ (BMI, der sich aus Gewicht und Größe errechnen lässt), sondern der „Bauchumfang“ einbezogen. Dieses Charakteristikum reflektiert die während der letzten wenigen Jahren gewonnene Erkenntnis, dass das abdominale Fettgewebe offensichtlich nicht nur für die Einlagerung von Fetten (Triglyceriden) verantwortlich ist, sondern auch metabolische und inflammatorische Prozesse reguliert, die weit über das Organ des Fettgewebes hinaus gehen und Effekte auf das kardiovaskuläre System, die Insulinsensitivität und die Insulinsekretion zeigen, und auch den Inflammationsstatus des gesamten Organismus mitbestimmen kann.
Diese Befunde führten zu einem Paradigma-Wechsel in der Forschung. Obwohl nach wie vor im Kontext von Adipositas die Untersuchungen an Organen wie Herz, Muskel, Leber und Pankreas von außerordentlicher Bedeutung sind, kristallisierte sich eindeutig heraus, dass das Fettgewebe und die darin enthaltenen Fettzellen (die Adipozyten) in den verschiedenen Organ-Kommunikationsprozessen von zentraler Bedeutung sind. Das Fettgewebe nimmt eine Schlüsselstellung ein und beeinflusst viele metabolische Prozesse in anderen Organen. Diese Eigenschaft trifft für die Fettzellen im Abdomen zu, aber nicht für das Unterhautfett. Sehr plakativ ausgedrückt, könnte man formulieren: „gesunde Fettzellen – gesunder Körper“, bzw. „kranke Fettzellen – kranker Körper“. „Gesunde“ Fettzellen (die von „normaler“ Anzahl und „normaler“ Größe im Fettgewebe vorhanden sind) produzieren eine Reihe von schützenden Faktoren, so dass die Anzahl und Größe der Adipozyten „normal“ bleibt. Metabolische Prozesse in Muskel, Leber und Pankreas können im Gleichgewicht bleiben, und verschiedene Systeme, die das kardiovaskuläre System kontrollieren, können optimal funktionieren.
Hierzu einige Beispiele: So genannte Adipokine (kleine Proteine, die von Adipozyten hergestellt und ausgeschüttet werden), wie Adiponektin und Apelin kontrollieren positiv die Insulinsensitivität im Muskel, kardiovaskuläre Prozesse und halten auch die Expansion des Fettgewebes unter Kontrolle. Das Adipokin Visfatin reguliert die Insulinsekretion, und Faktoren wie PAI-1 (plasminogen activator inhibitor type 1) und Angiotensinogen wirken der Atherogenese entgegen, während Adiponektin inflammatorische Prozesse unterdrückt. Dieses Gleichgewicht der verschiedenen Faktoren der Adipozyten wird bei Adipositas empfindlich gestört. Zwei Ereignisse spielen eine zentrale Rolle. Exzessive Nahrungszufuhr, bzw. „ungesunde“ Nahrung (z.B. fettreiche, zuckerreiche Nahrung, wenig Ballaststoffe, usw.) führen schließlich zu einem Anwachsen der Adipozyten. Es wird viel Fett in den Adipozyten eingelagert, und die Zellen werden sehr groß (hypertroph). Gleichzeitig kann auch eine Expansion (Vermehrung) der Adipozyten stattfinden. Sozusagen in einem Teufelskreis der Ereignisse verändern sich die Eigenschaften der Adipozyten.
Während die kleinen, „gesunden“ Adipozyten schützende Faktoren produzieren, wird die Produktion dieser Faktoren in hypertrophen Adipozyten stark vermindert. Es wird weniger Adiponektin produziert, mit der Konsequenz, dass die Insulinsensitivität vermindert wird, und auch die Hemmung bezüglich Expansion der Adipozyten und bezüglich der Inflammation geht verloren. Auch steigern die Adipozyten die Produktion von pro-inflammatorischen Adipokinen, wie TNF-α und Interleukin-6, aber auch inflammatorische Lipide, wie Prostaglandine, werden erhöht produziert. Die letzteren Veränderungen begünstigen die Einwanderung von Immunzellen, wie inflammatorische Makrophagen und T-Zellen, in das Fettgewebe. In einem pathologischen Wechselspiel schaukelt sich die Situation weiter hoch und der generelle inflammatorische Zustand des gesamten Körpers erhöht sich und beeinflusst viele Prozesse außerhalb des Fettgewebes.
Aus wissenschaftlicher Sicht heißt dies, dass die Untersuchungen an den Adipozyten an Bedeutung gewonnen haben. Die Regulation der Expansion (Proliferation) und der metabolischen und endokrinen Funktionen (Fetteinlagerung, Adipokin-Produktion) der Adipozyten scheint ihrerseits mehrere Organsysteme zu beeinflussen. Hierbei sind natürlich Ernährung und körperliche Aktivität von zentraler Bedeutung, aber es müssen ebenfalls die Regulationsprozesse über neuronale und hormonelle Systeme in Betracht gezogen werden. Es ist zu hoffen, dass die Forschung zu neuen Erkenntnissen führen wird, um in neuen therapeutischen Ansätzen diesen Teufelskreis, der die Adipositas zu einer so komplexen Erkrankung macht, zu durchbrechen.
Aus medizinischer Sicht ergeben sich ebenfalls zahlreiche Konsequenzen: Die Verhinderung der abdominalen Fettleibigkeit ist von zentraler Wichtigkeit (z.B. über Ernährung, körperliche Aktivität, aber auch die „mentale“ Gesundheit spielt eine große Rolle). Die Messung des „Bauchumfangs“ ist diagnostisch viel relevanter als die Angabe des BMI. Letzterer kann sogar zu großen Missverständnissen und zu unkorrekten Aussagen führen, wie man es oft in der Presse lesen kann.